Freitag, 17. Oktober 2014

Eigentlich bin ich Superwoman. Ich wusste nur bisher nichts davon.

https://www.flickr.com/photos/iragelb/5611639901
Ich wusste gar nicht wie stark ich wirklich bin. Ich hielt mich in den letzten Jahren für ziemlich schwach. Auf meiner Schwächeskala brillierten Punkte wie "Erfolg in der Arbeit" - war nicht, "Gesundheit" - war nicht. "schön sein bzw. sich schön fühlen" - war nicht. "Eine tolle Beziehung führen" - war nicht. "Kinder" - war nicht. "Ein volles Bankkonto" - war nicht. "Glücklich" - war nicht. "Emotional gefestigt" - war nicht. Die Aufzählung könnte noch ewig weitergehen. Ich konnte einfach nirgends einen Haken machen, der mir schwarz auf weiß gezeigt hätte: Du bist stark und hast alles im Griff.

Ich habe mich ganz schön geirrt. Stark sein misst sich nicht an diesen Punkten. Stark ist man nicht, allein indem man sein Leben "im Griff hat". Im Gegenteil. Die Menschen, die sich durchs Leben kämpfen müssen, das sind die wirklich Starken. Denn sie geben nicht auf. Sie meistern ihr Leben trotz all der Widrigkeiten.

Heute abend sprach ich mit einigen lieben Menschen im Rahmen eines richtig tollen Teamabends, wo wir bei flackerndem Kaminfeuer, duftendem Essen und herzlicher, wärmender Atmosphäre "arbeiteten". Eine Teamkollegin sprach mich auf meine Erkrankung an und wir redeten eine Weile darüber, dass ich nun schon fast drei Monate hochdosiert Cortison nehme und es leider nicht hilft, ich mich immer wieder vor Schmerzen nicht aus dem Haus bewege und einfach sehr schlecht aussehe. Wisst ihr, ich mag es gar nicht, über meine Erkrankung zu reden. Nicht weil sie mir peinlich oder unangenehm ist, ich möchte ihr nur nicht mehr Raum geben als nötig in meinem Leben. In den letzten Wochen bestimmte sie schon sehr meinen Alltag. Heute morgen saß ich vor Schmerzen jaulend stundenlang auf dem Klo. So ist das. Ohne Wenn und Aber. Lässt sich nicht schön reden, lässt sich auch nicht wegreden.

Das Gespräch mit meiner Teamkollegin hat mich sehr gerührt. Sie nahm derart Anteil daran, dass ich in tiefstem Herzen spüren konnte, wie sehr sie es bewegt, dass es mir nicht gut geht. Nicht auf bemitleidende Art und Weise, sondern einfach liebevoll. Als ich nach Hause fuhr, dachte ich darüber nach, dass eigentlich ich ganz schön stark bin. Dass ich das alles meistere. Dazu meine Selbständigkeit, zwei Beine, die ich gerade aufbaue und wo ich dran bleibe auch wenn es mich vor viele Herausforderungen stellt. Nein, ich bin super in dem was ich tue und jeder der was anderes behauptet ist ein Idiot. Dazu mein Hund, der neu bei mir ist und mich fordert, auch wenn es Leute gibt, die meinen das wäre unvernünftig - ist mir egal! Ich liebe ihn und er tut mir unendlich gut. Dann die neue Therapie, die mich fordert wie noch keine zuvor, die mir aber zum ersten Mal sehr gut tut. Die ständigen Arztbesuche und unangenehme Untersuchungen, vor denen ich am Liebsten weglaufen will, aber denen ich mich dennoch mit geradem Kreuz stelle. Sich um Familie kümmern, auch wenn Teile von ihr sich einen Dreck um mich scheren. Und dann noch immer ein offenes Ohr für Freunde haben, sie motivieren, stärken, zuhören - obwohl man selbst genug Sorgen hat. Immer dranbleiben, weitermachen, sich aufraffen, aufstehen, jeden Morgen aufstehen und optimistisch in den Tag blicken. Was eine Leistung ist das verdammt nochmal! Meine Güte, das muss man erstmal schaffen. Hut ab! Und das alles im Schub, mit hoch entzündetem Darm, mit Schmerzen, mit ständigem Durchfall, mit Müdigkeit, Übelkeit u.v.m. Wie konnte ich jemals denken, dass ich "schwach" bin??? Ich muss wirklich dumm gewesen sein. Eigentlich bin ich Superwoman, jawoll ja. Ich wusste nur bisher nichts davon.

Aber nicht nur diese Erkenntnis hatte ich auf der Heimfahrt. Mir meiner tatsächlichen Kraft bewusst wusste ich: Ich bin weit mehr als diese Erkrankung. Ich bin mehr als mein Darm, mehr als die Schmerzen, mehr als die Ängste und das sichschlechtfühlen, was mit ihr unweigerlich aufkommt. Und ich bin auch mehr als mein Übergewicht, mehr als Lächeln was ich immer aufsetze, obwohl mir eigentlich zu heulen zumute ist. Ich bin so viel mehr und das realisiere ich heute zum ersten Mal. Diese Erkenntnis berührt mich selbst sehr. Zu realisieren, dass man jahrelang "falsch" von sich selbst dachte und immer schlechter "bewertet" hat als tatsächlich wahr ist...das geht tief. Das geht ganz ganz tief.

Was soll ich sagen...ich bin verdammt stolz auf mich. Ich danke denen, die mir das immer wieder gesagt haben, wie großartig ich das alles meistere, sorry Leute, ich konnte es einfach nicht glauben bzw. annehmen - ich war blind. Ich musste es wohl selbst herausfinden.





Keine Kommentare :

Kommentar veröffentlichen