Ich dachte mein ganzes Leben, Rot sei meine Lieblingsfarbe. Dabei hasse ich Rot.
Rot ist viel zu extrem, als dass sie meine Farbe sein könnte. Ich bin nicht extrem. Ich bin mehr Pastell, ein Mintgrün oder ein Rosé, zart und sanft, ohne großes Hallo, ohne viel Aufmerksamkeit, aber mit Aussagekraft. Früher war ich laut, stark, Rot. Heute bin ich weich, bisschen milchig, süß wie die Zuckerperlen auf der Sahnehaube. Ruhige Stärke statt lautes Getöse. Das bin ich. Ich bin fast 30 und meine Lieblingsfarbe ist nicht Rot.
Ich weiß inzwischen auch, was ich nicht bin. Ich bin nicht laut. Ich bin nicht allwissend. Ich bin nicht fehlerlos. Ich bin kein Einzelkämpfer.
Ich bin leise. Ich weiß so vieles nicht. Ich habe Fehler. Und ich bin ein Gruppentier.

Ich bereiste meine Stadt als wäre ich lange fort gewesen und sähe nun, wie sehr sich alles verändert hat während ich weg war. Ich war hier und war es doch auch nicht. Ich erinnerte mich an viele Stunden guter Gespräche mit Menschen, die nun nicht mehr in meinem Leben sind und die ich wahnsinnig vermisse. Ich erinnerte mich, was ich damals für eine Power hatte und so viele Träume, Hoffnung und Ziele.
Die Begegnung mit der Vergangenheit war traurig und schön zugleich. Ich spürte, ich bin immer noch ein bisschen die Alte. Natürlich älter. Ruhiger. Ernster. Aber ich glaube, dass ich die alte Energie und den Glauben an mich noch in mir habe. Und dass ich auch noch zum Träumen in der Lage bin. Es ist nur verschollen...verborgen. Ich weiß jetzt auch, wie es dazu gekommen ist und wann ich damit aufgehört habe, stundenlang in Cafés zu sitzen, durch die Stadt zu schlendern, zu beobachten, zu staunen. Wann ich aufgehört habe, Dinge zu leben, die mir wichtig sind. Es war der Arbeitsalltag, der mich langsam, aber stetig von mir und der Leichtigkeit weg führte. Von der Wohnung auf die Arbeit und zurück, immer seltener mit Freunden treffen und wenn, war es immer der gleiche Ablauf, die selben gestressten maximal zwei Stunden Treffen, in denen Träume und Ziele keinen Platz mehr hatten. Und auch keine Zeit, dem Anderen wirklich zuzuhören. Wenn wir nicht mehr neue Orte entdecken, nicht mehr staunen und nicht mehr mit anderen Spaß haben, trocknen wir aus wie eine Blume, der man nach und nach die Sonne entzieht. Irgendwann steht sie nur noch im Schatten - sie gewöhnt sich sicherlich dran, aber sie verliert, was sie ausmacht - sie hört auf zu blühen. Vielleicht geht sie ein - nach Monaten oder Jahren, vielleicht bleiben nur ihre Wurzeln, während ihre Blätter längst braun und ausgedörrt herunterhängen.
Ich bin froh über diese Zeitreise. Es hat mir Zuversicht gegeben, dass ich auch diesmal meinen Weg finden werde. Denn ich habe mich erinnert: Ich bin eine Kämpfernatur und ich gebe niemals auf. Ich weiß nun, dass ich es auch wieder lernen kann, zu träumen - genauso wie zu lachen - oft und viel, so wie es zu mir gehört, so wie ich bin.
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