Mittwoch, 25. September 2013

Das Ende einer Freundschaft

Heute: Ein Post über Freundschaften.

Ich bin in einer Phase meines Lebens, in der viel Wandlung stattfindet. Einstellungen ändern sich genauso wie Werte und Prinzipien, aber auch Beziehungen zu anderen Menschen. Beziehungen, die sich lange Jahre getragen haben und die nun keinen Halt mehr finden. Beziehungen,die nur noch einseitig gepflegt und gelebt werden. Beziehungen, die Sinn haben oder auch nicht.

Ich habe heute eine langjährige Freundin aus meinem Leben verbannt. Verbannt klingt hart, aber so schmerzlich war der Bruch. Ein Bruch, der seit langem notwendig war, ich aber den Mut nicht hatte, um ihn zu vollziehen. Ich konnte sie - wie auch andere Menschen, die ich liebe - nicht loslassen. Ich hielt fest an einer Illusion, wie ich heute abend weiß. Doch von Anfang:

Ella (Name geändert) und ich lernten uns in der Schulzeit kennen. Wir führten damals schon ein schwieriges Dasein in unseren Familien. Wir waren unser Halt. Wir liebten Goethe, wir hassten Partys. Wir lachten laut und schrieben uns die Finger wund. Endlose Briefe, Postkarten und E-Mails, wir hatten uns nie genug zu sagen. Wir schworen uns, wenn wir aus dem Leben scheiden, dann gemeinsam. Wir hielten uns aufrecht wenn wir schwankten und waren gleichzeitig unser Gleichgewicht. Damals bezeichneten wir uns als Seelenverwandte.
Nach dem Abitur gingen wir an die Uni, doch sie hielt es nicht lange in Frankfurt aus und ging nach Berlin. Eine schwere psychische Krise brachte sie erfolgreich hinter sich genauso wie der Neustart in einer fremden Stadt, das Alleinleben und keine Freunde haben. Unser Kontakt war zu der Zeit sporadisch, aber nie verlor ich sie weder aus den Augen, noch aus dem Herzen. Sie lernte ihren heutigen Mann kennen, Martin (Name geändert), und ich verbrachte mit meinem damaligen Freund Silvester bei ihnen. Ich war ihre Trauzeugin auf ihrer Hochzeit, sie erzählte mir ihre Sorgen über ihre Einsamkeit und dass es so schwer war, neue Freunde zu finden. Unsere Freundschaft lebte auf Facebook, Sms und Päckchen. Manchmal, einfach so, schickte sie Postkarten. Nur um mir zu sagen, dass sie mich liebt und an mich denkt. Und ich, ich war immer traurig, dass sie so weit weg ist.

Immer wieder in regelmäßigen Abständen alle paar Jahre hatten wir Streit. Ella hatte meist Bockmist gebaut, Geschichten erzählt die nicht stimmten oder sich unmöglich verhalten. Ich sah immer über alles hinweg. Ich liebte sie trotzdem. Ich tat das, was sie mir heute vorwarf: Ich liebte sie selbstlos. Sie sagte mir auch immer wieder, wie wichtig ich ihr sei. Also lebten wir unsere Freundschaft fort, auch wenn ich merkte, dass sie sich veränderte. Ich hatte inzwischen die Uni abgeschlossen, war immer wieder in festen Beziehungen und nach Jahren immer wieder getrennt. Ich hatte große Träume und Ziele. Ella wollte Familie. Sie schuf sich ihre Welt so perfekt, wie sie es wollte. Zwischen Haus, Hund und Markenklamotten war sie dennoch einsam. Ich konnte ihre Anwesenheit damals kaum ertragen. Ihr Getue, ihre Scheinwelt, die sie sich aufbaute. Aber ich ließ sie machen, ließ sie so sein wie sie ist und dachte mir meinen Teil. Ich hatte schließlich genug mit mir zu tun und damit, mein Leben zu planen. Ich arbeitete wie wild und so gingen die Jahre ins land. Und dann wurde Ella schwanger.

Ich hatte mir damals sehr gewünscht, dass ich die Patentante von ihrem Sohn werden würde. Auch wenn wir manchmal unseren Disput hatten und es über die Entfernung schwierig war, engen Kontakt zu halten, so hat die Freundschaft in meinen Augen nicht an Bedeutung  verloren. Ich war sehr enttäuscht, als ich erfuhr, dass ich nicht Patentante werde. Aus anderen Ecken hörte ich, dass sie nicht im Traum an mich gedacht hatte. Ja, sie soll sogar über mich gelästert haben. Ich hörte wieder weg.
Es vergingen Jahre, in denen sich ihr Leben änderte. Sie ging in ihrer Mutterrolle auf. Ich spürte, wie sehr sie ihr Kind liebte und wie sie wieder weicher und menschlicher wurde. Wir hatten das ein oder andere Gespräch darüber, dass die Mutterrolle sie sehr verändert habe - zum Guten. Ich verlor meine Arbeit und stürzte in die größte körperliche und psychische Krise meines Lebens. Sie war mir große Stütze in der ersten Zeit, sie bemühte sich sehr, für mich da zu sein. Dafür bin ich ihr heute noch sehr dankbar. Dann - ein paar Monate später - flachte es ab und ging wieder den alten Rythmus. Neben all meinem Trouble versuchte ich, den Kontakt zu halten, zu erfahren, wie es ihr wirklich ging, um was sie sich sorgte und was sie traurig machte. Ich wollte ein Stück Wahrheit, die Ella, die ich kannte mit ihren Gefühlen und Träumen und Ängsten. Ich wollte kein "alles gut". In einzelnen Momenten funktionierte das und ich erhaschte einen Blick auf die neue alte Ella. Die reifere, die stärkere, die weiche Ella. Unsere Rollen waren gegenüber früher getauscht, diesmal war sie die Stärkere. War ich stolz auf sie, wie eine Mama auf ihr Kind.
Leider waren es nur Momente, denn viel war über SMS nicht  möglich. Denn Ella hat mich nie angerufen und erreichbar war sie auch nicht.

In den letzten Wochen - ich weiß nicht warum - dachte ich immer öfter darüber nach, welchen Sinn und welchen Nutzen diese Freundschaft überhaupt noch hat. Wo sie, die mich früher so sehr berührt hat, mich überhaupt noch berührt. Wo sie, wie früher, mich überhaupt noch unterstützt. Wo sie an meinem Leben teilhaben will und wo sie mich an ihrem Leben teilhaben lässt. Ich habe an unsere "Gespräche" zurückgedacht und mich gefragt: Habe ich mich danach gut oder schlecht gefühlt? Ich habe mich nach fast allen Gesprächen schlecht gefühlt. Ich suchte nach dem Sinn und der Wahrheit...und ich fand ihn nicht. Nicht mehr. Mit Schrecken durchfuhr mich der Gedanke, dass ich nur nicht loslassen kann von dieser tollen Freundschaft, die es einst gab. Dass ich von ihr nicht loslassen kann, weil ich sie so lieb habe. Aber vielleicht reicht Liebe einfach auch in einer Freundschaft nicht. Denn das Gefühl hinter allem war: Es hat keinen Sinn mehr. Es gibt Dir nichts mehr. Es war sehr besonders zwischen uns, aber das ist es nicht mehr. Wochenlang trug ich dieses Gefühl und die Gedanken dazu mit mir herum. Ein Gefühl von Trauer und des Klammerns an Erinnerungen. Und gleichzeitig den Drang danach, die Vergangenheit abzuschließen und mit ihr Ella gehen zu lassen. Sie hat das auch einst getan und mit allem alten gebrochen, außer mit mir. Heute denke ich, dass das schlau war und es jetzt an der Zeit ist, mich zu lösen von allem, um neu beginnen zu können.

Heute - ein paar Tage nach der Geburt ihres zweiten Kindes - fragte ich sie erneut, wer Patentante wäre (ich kannte ihre Antwort schon, dennoch habe ich gefragt). In ihrer Antwort schrieb sie, dass unsere Freundschaft nicht beständig und nix wäre. Und drei ihrer neuen Mutterfreundinnen jetzt Patentante wären.
Das hat mich sehr verletzt. Vor allem, dass sie unsere Freundschaft so heruntergespielt hat. Sie so wenig schätzt. Meine Unterstützung während der Schwangerschaft, Ohr für ihre Ängste und Sorgen, immer wieder Mut zusprechen nicht zu schätzen scheint. Mein Dasein in ihrem Leben ebenfalls wenig schätzt. Das hat mir richtig weh getan.

Es war das Tüpfelchen oder der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Ich habe mit ihr gebrochen. Und ja, verdammt, es tut weh.Aber so ist das wohl mit Anfang und Ende, meist sind sie einschneidend. Meist tun sie weh. Für mich bedeutet das jetzt: Freiheit. Ich bin frei von der Vergangenheit. Ich bin frei davon, meine Energien in jemanden zu investieren, wo die Energie einfach irgendwo versickert ohne das etwas zurückkommt. Ich bin frei davon, an etwas festzuhalten, was längst nicht mehr existiert.

Loslassen tut weh. Aber um neu anzufangen, muss altes weichen. Es hat keinen Sinn, etwas weiterzuführen, was nur halb ist und einen nicht mehr befriedigt. Wir haben nur dieses eine Leben! Und nur diese einen Begegnungen! Ab jetzt werde ich meine Energie an die Menschen weitergeben, die es zu schätzen wissen. Ich werde mich an die halten, die mich wirklich lieben und unterstützen.

Ich danke Ella für die schöne Zeit. Für all die Höhen und Tiefen. Für den Streit und die Liebe zwischen uns.
Für den Halt und das Träumen. Für die Wahrheit. Aber jetzt muss ich meinen Weg ohne sie weitergehen. RIP


Und zum Abschluss noch ein kleiner Song von Enno Bunger über wahre Freundschaft:


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