Sonntag, 16. Juni 2013

Is there anybody outside? Gibt es noch jemanden, der an diesem warmen Sommertag allein zuhause sitzt und über das Leben nachdenkt? Ich tue dies fast jeden Tag. Sollte ich nicht mit Freunden zusammensitzen oder etwas schönes unternehmen, sollte ich nicht in meinem Garten werkeln während mein Mann den Grill anschmeißt, sollte ich nicht mit meinen Kindern spielen? Manchmal komme ich mir wirklich fremd vor auf dieser Welt. Und ich denke manchmal, dass ich die einzige bin, die so am Scheitelpunkt ihres Lebens steht und Krankheit und Krise meistern muss - doch ich weiß, da draußen gibt es ganz viele, denen es genauso geht wie mir.
Bisher habe ich meine Gedanken nur für mich aufgeschrieben, nur für mich festgehalten. Irgendwie auch blöd oder. Schließlich habe ich schon jahrelang Gedichte für die Schublade produziert. Nun - dann jage ich meine Gedanken eben ins unendlich weite Internetnirvana und übergebe sie dem elektronischen Universum. Wie so manche Wünsche in den letzten Monaten - das Universum hat ganz schön mit mir zu tun. Das Schlimme, wenn ich etwas nicht mehr nur für mich aufschreibe, ist der Drang, etwas noch besser, harmonischer, weicher formulieren zu müssen. Der Fluss des Schreibens wird unterbrochen, wenn ich Sätze nachbearbeite - und damit wird dem Schreiben selbst jeglicher Sinn genommen. Nun fange ich doch am Besten schon mal hier an, Gewohnheiten zu ändern und akzeptiere die Unvollkommenheit meines Schreibens. Ein schwieriges Unterfangen, schließlich können Worte die Welt bedeuten.

Nun, worum geht es in diesem Blog?
In diesem Blog geht es um mich und meiner Reise zu mir selbst. Ich, 29, Akademikerin, einst mit den besten Zukunftsaussichten, lebe seit einem körperlichen und seelischen Zusammenbruch vor einem Jahr vom Staat.  Ein für mich schlimmer, kaum zu ertragender und für einen Leistungsmenschen nicht zu akzeptierender Lebenszustand. Noch etwas, was ich akzeptieren muss - aber nicht heute.
Was ist passiert? Ich habe nicht nur meine Arbeit verloren, sondern auch meine Gesundheit, viele meiner Freunde und mein "normales" Leben. Mein Leben vor dem Zusammenbruch war "normal" - denn ich ging gewissenhaft meiner Arbeit nach, pflegte meinte Freundschaften und machte an den Wochenenden Pflichtbesuche bei meinen Eltern. Doch mehr - ja mehr war da nicht. Ich hatte eigentlich nur meine Arbeit, doch zufrieden war ich nie. Ich war nicht glücklich. Stets auf der Suche nach Dingen im Außen oder Männern, die mich glücklich machen sollten, reitete ich mich selbst immer tiefer in den Sumpf, der mir schließlich im Januar 2012 den Boden unter den Füßen wegriss.
Ich war Meisterin darin, anderen die Schuld für mein Leid, für mein unglückliches Leben zu geben. Irgendwann war ich wütend auf die ganze Welt. Ich merkte nicht einmal, dass ich in meinem eigenen destruktiven Film die Rolle der Protagonistin übernommen habe. Nicht einmal, als sich meine beste Freundin und schließlich auch mein bester Freund von mir abwandten. Erst als ich ganz allein dastand, ohne Hilfe von Eltern, ohne Freunde - erst dann wachte ich auf. Das Aufwachen war schmerzhaft, vielleicht schmerzhafter als die Diagnose Morbus Crohn, schmerzhafter als die Diagnose Depression. Aufwachen aus dem falschen Leben ist das Gefühl, das ganze bisherige Leben wäre sinnlos gewesen. Ich vage ja die These, dass Sinnlosigkeit der wahre Ursprung der Depression ist. Vielleicht komme ich später nochmal darauf zurück.

Seit meinem Zusammenbruch befinde ich mich in einer Art Zwischenwelt. Die alte Welt mit ihren Mustern, Gewohnheiten und Ansichten funktionierte nicht mehr. Die neue Welt hat noch keine Muster, keine Gewohnheiten - aber mittlerweile ein paar neue Ansichten. Das Bild ist unvollständig, wie ein Puzzle, in dem noch 90 Prozent der Teile fehlen. Diese Zwischenwelt ist beängstigend. Ich wusste immer, was ich tun musste, ich hatte vor nichts Angst. Doch nun habe ich Angst - vor mir selbst und den Abgründen in mir, vor dem Leben, vor der Zukunft.
In diesem Blog möchte ich mich selbst begleiten auf der Suche nach mir, nach dem Glück und auf dem Weg zurück ins Leben. Ich möchte herausfinden, wer ich bin. Wie werde ich sein, ja, wer WILL ich sein und wie soll mein "neues" Leben aussehen? Werde ich es schaffen, aus einem vagen, trüben Bild ein buntes, klares Bild zu erschaffen?

In meinem "alten" Leben war ich ein Leistungsmensch. Ich funktionierte. Nahezu tadellos, nehmen wir die emotionalen Aussetzer, stets scheiternden Beziehungen und Probleme auf der Arbeit aus - im Großen und Ganzen tat ich, wie mir gelehrt wurde - arbeite und bringe Leistung, dann kannst Du geliebt werden. Dass das Irrsinn ist - diese Erkenntnis verdanke ich dem Zusammenbruch. Ich werde nie geliebt werden (vor allem nicht von meinen Eltern), weil ich Leistung bringe. Seitdem ich nicht mehr die sein kann, die ich war, weiß ich nicht, wie und wer ich sonst sein kann. Ich begann, neues auszuprobieren. Ich fing an, zu lesen. Von Persönlichkeitsratgebern über spirituelle Bücher - ich verschlang sie alle. Ich fing an, spirituelle Übungen zu machen, begann zu meditieren und meine Mitte mit Yoga wiederzufinden. Ich höre Hypnose- und Entspannungscds und besuche regelmäßig eine spirituelle Frauengruppe, in der wir gemeinsam meditieren, tanzen, singen und Körperübungen machen. Natürlich begleiten mich auch schulmedizinische Methoden, von Antidepressiva, über den Besuch einer Reha bis zur Gruppentherapie. Doch diese helfen nur bedingt, im Gegenteil habe ich den Eindruck, dass es mir gesundheitlich eher schlechter geht als besser und hinsichtlich meiner Selbstfindung mich nicht wesentlich weiter bringt.

Ich weiß, dass ich nicht alleine bin, die eine Krise oder einen Umbruch durchlebt, ich weiß, dass Themen wie Depression und Burnout allgegenwärtig sind. Doch immer noch reden zu wenig Betroffene darüber, wie sie den Weg zurück ins Leben gefunden haben. Deshalb nehme ich meine Geschichte aus der Schublade und lasse euch daran teilhaben.Vielleicht geht es Dir genauso wie mir? Vielleicht findest Du Dich in meinen Gedanken wider? Vielleicht macht es Dir Mut, vielleicht hilft es Dir - in Zeiten von Orientierung oder auch in Zeiten von Verzweiflung.

Mein Blog soll kein Tagebuch sein. Vielmehr ein Logbuch, das meine Reise zu mir selbst festhalten soll.
Ich weiß nicht, was daraus wird oder wie es sich entwickelt. Mal wieder habe ich keinen Plan (im Gegensatz zu früher, da war alles durchgeplant). Schauen wir doch einfach, wohin uns die Reise führt.

Ich umarme euch meine Schwestern und Brüder - in tiefer Verbundenheit
Tanja



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